Samenhandlung

Die Beusselstraße, diese vielbefahrene Nord-Süd-Achse, die den Charlottenburger zum Flughafen Tegel und die vielen Lastwagen zum Berliner Großmarkt bringt, gehört ganz sicherlich zu den unattraktivsten Straßen Moabits, wenn nicht gar ganz Berlins. Die Gefahr, dass sich hier in den nächsten zwanzig Jahren Schwaben in größerer Zahl niederlassen, würde ich als ganz gering einschätzen.

Seit vielen Jahren liegen die meisten Messwerte, mit denen in Berlin die Luftverschmutzung erfasst wird, oberhalb dessen, was die EU als maximale Grenzwerte festgelegt hat. Auch wenn das Programm zur Verbesserung der Luftqualität den Namen Heaven trägt, ist hier sicher nicht der Himmel auf Erden.

Niedergang und Aufschwung liegen dicht beieinander, was früher vielleicht noch als gut-bürgerlich galt, ist heute ein quirliges Quartier mit vielen arabischen Geschäften. Aus den vermeintlich besseren Zeiten stammt nicht nur der Rosentraum, sondern auch die Samenhandlung gleich gegenüber.

Hier werden schon seit längerem keine Samen mehr verkauft und auch die benachbarte Heißmangel steht wohl schon eine Weile kalt. Obgleich: Dort könnte vielleicht eine Wiederbelebung passieren, denn nach dem allgegenwärtigen Matratzenhandel scheinen neuerdings Wäschereien und Bügeldienste Hochkonjunktur zu haben.

Wenigstens die schönen Schriftzüge
Samenhandlung und Heissmangel,
hergestellt unter Verwendung von Paul Renners Futura, sind uns bis heute geblieben, eigentlich ein Fall fürs Buchstabenmuseum.

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13 Antworten auf „Samenhandlung“

  1. Schöne Schriftzüge gehören auch belebt. Ich hab in letzter Zeit auch eine ganze Menge fotografiert. Könnten eine Artikelserie wert sein …

  2. Danke auch für den Hinweis auf das Buchstabenmuseum. Kann da jeder seine Schätze abliefern? Auf jeden Fall gehören diese beiden auch hinein.
    Bei so etwas habe ich immer große Lust, Wortteile auszutauschen. Ob es jemand merken würde, wenn eines Tages Heisshandlung oder Samenmangel dort stünde?

  3. Müsste nicht das Urheberrecht 2006 abgelaufen sein und Futura in die Public Domain gewandert sein? In LibreOffice hab ich die zumindest nicht gefunden.

  4. Das Buchstabenmuseum ist tatsächlich sehr unterstützenswürdig. Ein ästhetisches Gedächtnis unserer persönlichen Vergangenheit findet sich dort wieder. In Buchstaben. Großartig.
    Man kann auch Buchstaben ausleihen. Ein Freund hat gerade für sein neues Projekt ein B dort abgeholt, es folgte ein A und zuletzt noch ein R. Tja, wer mich kennt, ahnt wohl, was meine Freunde so für Projekte machen…

  5. ich war gestern vor Ort und habe nun die Telefonnummer vom Vermieter (Samenhandlung/Heissmangel) oder wer kann mir noch helfen, die Schriften zu retten?
    Ebenfalls interessieren wir uns für den Schriftzug Rosentraum – ich konnte bisher für der Beusselstraße 21 noch keinen Ansprechpartner finden. Wer kann helfen, wer wohnt in dem Haus und kann mir den Vermieter benennen?

  6. ich habe letztlich einen einen Hilferuf zur Rettung der Buchstaben (23. Februar) abgeschickt und ergänze nun heute, dass ich für das Buchstabenmuseum tätig bin. Bitte nochmals um Hilfe bei der Recherche

  7. Die beiden faszinieren mich jedesmal, wenn ich dran vorbeikomme. Ich finde es fast zu schade sie einfach ab zuschrauben und im Museum verschwinden lassen, obwohl ich glühende Unterstützerin des Buchstabenmuseums bin.

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